Fetal Alcohol Spectrum Disorder (FASD) ist der Oberbegriff für vorgeburtliche Schädigungen durch Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft. Alkohol während der Schwangerschaft kann die Entwicklung des ungeborenen Kindes beeinträchtigen und zu erheblichen lebenslangen körperlichen und geistigen Schäden sowie zu Verhaltensauffälligkeiten führen (vgl. Hoff-Emden 2008)
​Bisher enthält die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10) unter dem Kode Q 86.0 nur die Diagnose Alkoholembryopathie, die der Komplexität des Krankheitsbildes nicht gerecht wird. Häufig finden sich nur Diagnosen von Komorbiditäten und Folgeerkrankungen, die ohne die Diagnose Fetale Alkoholspektrumstörung leicht zu Fehlschlüssen und Fehlbehandlungen führen (vgl. Die Fetale Alkoholspektrumsstörung)
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Ein Entzugssyndrom bei Babys kann sich auf unterschiedliche Weise äußern, beispielsweise durch Zuckungen, Schlafstörungen, Darmbeschwerden oder eine extreme Überempfindlichkeit. Manche von ihnen haben Schwierigkeiten, mit neuen Reizen umzugehen, was auf eine Überforderung des Nervensystems hindeutet. Kinder mit FASD können mitunter als Frühgeburten mit sehr niedrigem Gewicht zur Welt kommen. Bei den meisten Säuglingen und kleinen Kindern mit FASD treten folgende Symptome auf:
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Reizbarkeit, Nervosität und Unruhe, intensive Schreiphasen und Spannungszustände
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Klang- und Lichtüberempfindlichkeit
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Schlafstörungen
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Saug- und Schluckprobleme
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Schwache Muskulaturentwicklung
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Infektanfälligkeit
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Entwicklungsverzögerungen
Besonderheiten ab dem Kleinkindalter:
Sie verfügt zweifelsfrei über einen hohen Wortschatz, was sich jedoch nicht in ihrem Sprachverständnis widerspiegelt. Ihre kognitiven und grob- und/oder feinmotorischen Fähigkeiten werden auf einem niedrigeren Niveau bleiben.
In diesem Alter fällt bei manchen Kindern eine große Unruhe und Reizoffenheit auf. Sie haben massive Schwierigkeiten, von einer Aktivität zur nächsten zu wechseln oder mit Änderungen im Tagesplan klarzukommen. Sie ärgern sich schnell und neigen zu Stimmungsschwankungen sowie intensiveren Wutausbrüchen. Mit Gleichaltrigen ecken sie häufiger an und haben Schwierigkeiten, beständige Freundschaften aufzubauen.
Kinder mit FASD können Risiken nicht gut einschätzen und lernen aus Fehlern und Erfahrungen nur unzureichend. Regeln müssen täglich neu geübt werden. In manchen Familien ist deshalb eine dauerhafte Aufsicht notwendig, was die Bezugspersonen sehr erschöpft. Ein gut geschultes Netzwerk, das über Kenntnisse zu den Besonderheiten von FASD verfügt, ist hier eine wichtige Entlastung.
Gerade mit Beginn der Schulzeit müssen wir damit rechnen, dass vorhandene Schwierigkeiten und Beeinträchtigungen stärker manifest werden. Die zusätzlichen Leistungsanforderungen im kognitiven und sozial-emotionalen Bereich können dazu führen, dass die Kinder überfordert sind und sich verstärkt unangemessen verhalten. Die Bandbreite umfasst unter anderem folgende Schwierigkeiten:
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Trotz eines eventuell normalen IQ können Gedächtnis-, Lern- und Merkfähigkeitsprobleme auftreten. Zudem sind Schwankungen im Lernverlauf möglich.
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Schwierigkeiten im abstrakten und numerischen Denken (Rechnen mit Malreihen, Größen, Verständnis für Zeit und Geld) müssen unbedingt berücksichtigt werden.
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Für betroffene Kinder ist das Verständnis vom Wert des Geldes schwierig: Sie denken, dass sie mit einer 1-Euro-Münze einen Lutscher oder einen Computer kaufen können. Beides ist doch ein Stück Geld. Deswegen muss der Zugang zu Geld beschränkt werden.
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Sie haben Schwierigkeiten, Regeln einzuhalten und von einer Situation auf eine andere zu übertragen. Zudem lernen sie nur wenig aus Erfahrungen und Fehlern.
Sie sind in gewisser Weise beeinflussbar und gutgläubig, was dazu führen kann, dass sie in gewisse Schwierigkeiten geraten. Einige von ihnen leiden unter einem geringen Selbstwert, weil sie wissen, dass sie anders sind. Oftmals sind sie experimentierfreudig, was den Konsum von Alkohol, Drogen und Sexualität betrifft. Es gelingt nicht, Schulabschlüsse zu erreichen, und begonnene Ausbildungen werden nicht beendet. In dieser Phase besteht ein erhöhtes Risiko für Depressionen und selbstschädigendes Verhalten.
Teenager mit FASD unterscheiden sich äußerlich kaum von ihren Altersgenossen, doch ihr Entwicklungsniveau kann dem von Sechsjährigen gleichen. Daher benötigen sie Aufsicht und Betreuung, was zu Konflikten mit Bezugspersonen führen kann, da die Jugendlichen einem natürlichen Drang zur Selbständigkeit folgen. Es ist wichtig zu beachten, dass FASD nicht "auswächst", d. h. die angeborene Behinderung besteht lebenslang.
​Die genannten Schwierigkeiten bleiben auch im Erwachsenenalter bestehen. Es wird jedoch noch seltener als im Kindes- und Jugendalter an eine Diagnose im FASD-Spektrum gedacht. Vielmehr werden psychiatrische Diagnosen gestellt und in diesem Bereich Behandlungsversuche unternommen, welche aber letztendlich zu keiner Verbesserung der Symptomatik führen.
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